Zum Sommersemester 2022 bietet das Institut für Akademische Weiterbildung (IAW) erstmalig den berufsbegleitenden Masterstudiengang Angewandte Künstliche Intelligenz (M.Sc.) an: Der Master macht die Studierenden bereit für die Welt von morgen und qualifiziert sie neben dem Beruf zum Data Scientist, Machine Learning Engineer oder Data Engineer. Prof. Dr. Torsten Schön wird den Studiengang als verantwortlicher Studiengangleiter betreuen. Im Interview spricht er über seine Faszination für künstliche Intelligenz (KI) und die wesentlichen Inhalte des neuen Masters.
Sie sind Professor für Computer Vision for Intelligent Mobility Systems an der THI und waren viele Jahre als Data Scientist in der freien Wirtschaft tätig. Was fasziniert Sie an KI-Technologien?
Mich begeistert, dass KI so viele Möglichkeiten bietet. Die Technologie, die dahintersteckt, ist in den Grundzügen immer gleich, aber man kann so viele unterschiedliche Dinge damit machen. Man kann KI-Technologien zum Beispiel zum Sprachverstehen, zum Erkennen von Objekten in Bildern oder zum Erlernen von Computerspielen einsetzen. Bricht man das Ganze runter, dann ist es am Ende immer Mathematik beziehungsweise mathematische Formeln, die dem zugrunde liegen und man kann so verschiedenste Probleme lösen. Mehr noch, der Computer selbst lernt anhand von Beispielen selbstständig Lösungen für die Probleme zu finden. Wir geben also nicht vor, was konkret zu tun ist, sondern sagen vielmehr, was wir gerne hätten. Das ist ja auch der Grund, warum wir das Ganze als "intelligent" bezeichnen. KI eignet sich also selbst Wissen an und lernt eigenständig. Die Möglichkeiten, die sich uns dadurch bieten, sind nahezu grenzenlos. Und genau das finde ich so faszinierend
Seit Kurzem sind Sie Studiengangleiter des neuen berufsbegleitenden Masters Angewandte Künstliche Intelligenz am IAW. Was sind die wesentlichen Inhalte des Studiengangs?
Das Studium ist so aufgebaut, dass wir in den Modulen "Machine Learning I" und "Machine Learning II" zunächst die Grundlagen des maschinellen Lernens vermitteln, denn immer dann, wenn wir von KI sprechen, ist eigentlich von maschinellem Lernen die Rede. Wir beschäftigen uns in diesen Modulen also mit den Fragen, was KI eigentlich ist und wie das Ganze überhaupt funktioniert. Die Studierenden lernen und verstehen die ganze Mathematik, auf der künstliche Intelligenz aufbaut, und erfahren, wie man diese effizient einsetzt. Das ist dann immer der Moment in dem man realisiert, dass sich hinter KI keine Magie verbirgt, sondern, dass es im Endeffekt nur um mathematische Formeln geht.
In den höheren Semestern geht es dann in die Vertiefungsmodule. Konkret fokussieren wir uns da zum einen auf Computer Vision, also das Erkennen von zum Beispiel Objekten in Bildern. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Sprach- und Textverstehen. Beide Bereiche zählen zu den Hauptanwendungsgebieten von Machine Learning beziehungsweise KI.
Begleitet werden die Fachmodule von Projekten und Modulen, die etwas weiter über den technischen Tellerrand blicken, wie zum Beispiel wissenschaftliches Arbeiten.
Werden auch ethische Fragen im Studium berücksichtigt?
Da ein berufsbegleitendes Masterstudium zeitlich schon sehr komprimiert ist, haben wir uns dazu entschlossen, kein gesondertes Ethik-Modul im Curriculum zu verankern. Ethische Fragen werden direkt in den Modulen mitbeantwortet und diskutiert.
Wie wird ein hoher Bezug zur Praxis sichergestellt?
Der Master ist rundum praxisorientiert aufgebaut, das heißt, unsere Vorlesungen sind immer so gestaltet, dass die Studierenden anhand konkreter Beispiele aus der Praxis lernen. Der Fokus liegt stets auf einer anwendungsbezogenen Kompetenzvermittlung mit Transfer in den Unterricht. Unsere Dozentinnen und Dozenten, allesamt herausragende Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Lehre, bringen ihre Praxiserfahrungen direkt in den Vorlesungen ein.
Was sollten angehende Studierende mitbringen?
Am wichtigsten ist, dass man sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen will. Man sollte auch keine Scheu haben, die Mathematik dahinter zu verstehen und zu programmieren. Natürlich tut man sich leichter, wenn man vorab bereits ein Studium der Informatik oder der Naturwissenschaften abgeschlossen hat. Genau darum haben wir auch unter anderem einen naturwissenschaftlichen oder technischen Studienabschluss als Zulassungsvoraussetzung definiert.
Da das erste Semester oftmals angerechnet werden kann und wir im zweiten Semester gleich in das Modul "Machine Learning I" einsteigen, setzen wir natürlich voraus, dass die Studierenden gewisse mathematische Grundlagen beherrschen. Außerdem haben wir auch Programmieren mit KI-Frameworks im Curriculum und das erfordert wiederum entsprechende Grundlagenkenntnisse in der Programmierung.
Hat man vorab Informatik studiert, dann sind sowohl Mathe- als auch Programmierkenntnisse vorhanden. Kommt jemand beispielsweise aus der Elektrotechnik oder Mechatronik, hat er/sie zwar mathematisches Know-how, jedoch fehlen unter Umständen Kenntnisse im Programmieren. Und genau deshalb bieten wir im Vorfeld zwei Vorkurse an, ‚"Programmieren I" und "Programmieren II", um so wirklich sicherstellen zu können, dass alle Studierenden im zweiten Semester auf dem gleichen Level sind.
Grundsätzlich glaube ich, dass jede/jeder mit technischem Hintergrund das Zeug für unseren Master Angewandte Künstliche Intelligenz hat. Man muss einfach das nötige Engagement haben und den Willen mitbringen, sich in die Themen einzuarbeiten und die Dinge zu verstehen.
Mit Blick auf die Zukunft: Wo sehen Sie persönlich die größten Potenziale von KI für Organisationen aller Branchen und Größen?
Wir alle kennen die "offensichtlichen" Anwendungsfälle der KI, also intelligente Roboter, die uns Menschen unterstützen: Staubsaugerroboter, Mähroboter oder intelligente Assistenten wie Amazons Alexa oder andere Sprachassistenten. Hier ist KI entweder das Produkt selbst oder großer Bestandteil des Produkts, das verkauft wird. All das hat natürlich auch in Zukunft großes Potenzial.
Riesiges Potenzial sehe ich aber auch im Bereich der Optimierung von Unternehmen oder Unternehmensprozessen, ich denke hier an die Planung oder die Produktion. Betrachtet man zum Beispiel ein großes Automobilwerk, dann stellt man fest, dass hinter all den Prozessen eine enorme Komplexität steckt und wie sensibel die einzelnen Prozesse sind. Kleinste Änderungen fallen da beispielsweise bei den Produktionskosten enorm ins Gewicht. Und gerade hier gibt es in Zukunft enormes Potenzial für KI-Technologien. Schaut man auf die großen Player der Weltwirtschaft wie Google oder Tesla, dann erkennt man, dass KI-Algorithmen schon jetzt wesentlicher Bestandteil von Geschäftsmodellen sind und längst keine Zukunftsmusik mehr.
In der Vergangenheit gab es schon zwei Phasen eines KI-Hypes, darauf folgte jeweils eine Phase des Abflauens. Für die Zukunft erachte ich aber ein weiteres Abflauen dieses Hypes als vollkommen unwahrscheinlich, da mittlerweile unzählige Unternehmen ihren Umsatz mit KI generieren. Und genau das ist auch der ganz große Unterschied zu den zwei vorhergehenden Perioden: Heute wird Geld mit KI verdient und deshalb bin ich überzeugt, dass dieser Hype sich auch in Zukunft immer weiter fortsetzen wird.